Abschlusserklärung der SPD-Fraktion zum städtischen Haushalt 2006:

„Mit uns wird es kein Kaputtsparen geben!“

Wolfgang Große Brömer ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Oberhausen und Mitglied des Landtags von NRW

Wolfgang Große Brömer ist Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Oberhausen und Mitglied des Landtags von NRW

Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Große Brömer vor dem Rat der Stadt Oberhausen anlässlich der Verabschiedung des Haushalts 2006 am heutigen Montag:

„Herr Oberbürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren, in seiner Rede zur Einbringung des Haushaltes 2006 hat Oberbürgermeister Klaus Wehling an einem anschaulichen Beispiel (Zur Erinnerung: Ein Professor stellt zum zweiten Male die selben Prüfungsfragen und antwortet auf den entsprechenden Hinweis seiner Studenten, dass die Fragen zwar gleich seien, sich aber die korrekten Antworten geändert hätten.) deutlich gemacht, dass man manchmal gezwungen ist, auf alte Fragen neue Antworten zu finden.

Und in der Tat: Wir haben uns mit einer Menge alter Fragen, alter Probleme auseinander zu setzen.

Nach wie vor

– kämpfen wir mit einem Haushaltsdefizit, das aus eigener Kraft erst nach einer fast nicht mehr absehbaren Zahl von Jahren ausgeglichen werden kann,

– kämpfen wir mit einer Arbeitslosigkeit, deren Höhe durch alle noch so erfolgreichen Projekte des Strukturwandels bisher nur eingedämmt, aber nicht nachhaltig gesenkt werden konnte,

– kämpfen wir mit der Ignoranz der übergeordneten politischen Ebenen, die weder ernsthafte Reformbemühungen zur Gesundung der Gemeindefinanzen einleiten noch die notwendigen Spielräume zur Entfaltung kommunaler Entwicklungsmöglichkeiten zulassen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, daraus ergeben sich drei Fragestellungen, auf die wir Antworten, neue Antworten, finden müssen:

1. Wie können wir – angesichts der fatalen Haushaltssituation – diese Stadt, unser Oberhausen, liebens- und lebenswert erhalten und gestalten?

2. Mit welchen Maßnahmen kann es uns gelingen, stärker als dem allgemeinen Trend entsprechend oder sogar gegen ihn zusätzliche Arbeitsplätze in Oberhausen zu ermöglichen?

3. Wie können wir erreichen, dass Bezirksregierung, Land und Bund die finanzielle Situation der Ruhrgebietsstädte endlich begreifen und die längst überfälligen Lösungsschritte einleiten?

Zur ersten Frage. Meine Damen und Herren, es bleibt dabei: Für uns Sozialdemokraten gibt es zur Haushaltskonsolidierung keine Alternative. Es muss gespart werden! Aber mit Augenmaß! Und deshalb wird es mit uns auch – wie bisher – kein Kaputtsparen in dieser Stadt geben!

Der Ruf nach externer Beratung – wie er gleich wieder in diesem Hause zu hören sein wird – birgt genau diese Gefahr in sich. Gerade das Beispiel der Nachbarstadt Duisburg zeigt, wie wenig sinnvoll eine solche Begutachtung durch externe Experten ist.

Schließung von städtischen Bädern, Kürzungen im Sozialbereich, Schließung von Stadtteilbibliotheken, Streichung des Bücherbusses, und, und, und… Alles Belege dafür, wie wenig phantasievoll die so genannten Beratungsfirmen agieren. Sparvorschläge insbesondere im Bereich der sozialen und kulturellen Infrastruktur! So spart man seine Stadt kaputt!

Denn wenn man nur spart um des Sparens willen, ohne gleichzeitig inhaltliche Zielvorgaben und Eckpunkte für die Zukunftsentwicklung zu setzen, dann verändert man diese Stadt und ihre sie prägenden Einrichtungen bis zur Unkenntlichkeit.

Wir Sozialdemokraten wollen die soziale, die schulische, die kulturelle, die sportliche Infrastruktur Oberhausens erhalten – wenn irgend möglich sogar noch verbessern.

Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen. Die Verwaltung hat im letzten Jahr einen Friedhofsbedarfsplan zur Beratung vorgelegt, der unserer Meinung nach nur ansatzweise Sparpotenziale bot, gleichzeitig aber durch die Schließung von vier der fünf kommunalen Friedhöfe diese wesentliche Infrastruktur völlig zerschlagen hätte. Wir haben seinerzeit an dieser Stelle effektivere, intelligentere Lösungsvorschläge der Verwaltung eingefordert – übrigens gegen den massiven Widerstand der CDU, der es ja bekanntlich mit der Schließung der städtischen Friedhöfe gar nicht schnell genug gehen konnte.

Heute werden wir eine gute, eine bessere Lösung auf den Weg bringen. Alle fünf Friedhofsstandorte werden erhalten – im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Und das verbunden mit einer zum Teil massiven Senkung der Gebühren!

Ein zweites Beispiel: Der Sturmschaden am Südbad hatte zur Folge, dass einige Sparfanatiker in dieser Stadt den ersatzlosen Abriss des Bades forderten. Wir Sozialdemokraten haben schnell deutlich gemacht, dass wir dieses Bad als wesentlichen Baustein für die Infrastruktur im Innenstadtbereich betrachten und deshalb den Wiederaufbau des Bades für unverzichtbar halten. Durch den mühevollen Prozess der Aufgabenübertragung von WBO zur OGM ist dieser Wiederaufbau nunmehr möglich geworden – ebenso wie die sofortige Sanierung des Sterkrader Hallenbades.

Meine Damen und Herren, wie gesagt, zur Haushaltskonsolidierung gibt es keine Alternative, zur Wahrung der notwendigen Infrastruktur aber auch nicht.

Sparen ja, aber intelligent und effizient. Deshalb schlagen wir vor, dass wir uns durch gezielte interkommunale Vergleiche eine breite Datenbasis erarbeiten, auf deren Grundlage wir gemeinsame akzeptable Einsparvorschläge formulieren und diskutieren können. Und an diesem zielorientierten Dialog können und sollen sich auch die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt effektiv beteiligen. Dadurch könnte nicht nur eine möglichst große Spar-Kreativität geweckt, sondern auch ein breiter Konsens für die notwendigen Maßnahmen sichergestellt werden.

Zum zweiten Fragenkomplex, der Schaffung von Arbeitsplätzen. Das „Aus“ für unser Projekt O.VISION durch die CDU-geführte Landesregierung war ein massiver Schlag gegen den Strukturwandel im Ruhrgebiet, gegen die Schaffung von innovativen und zukunftssicheren Arbeitsplätzen in unserer Stadt.

Umso erfreulicher war anschließend die Leistung von unserem Oberbürgermeister gemeinsam mit seiner Verwaltungsmannschaft. Nur vier Wochen nach diesem Killer-Beschluss von Rüttgers & Co. konnte Klaus Wehling eine beachtenswerte Alternative präsentieren, die mittlerweile den Namen „Euro-Vision“ trägt. Ohne eine gut aufgestellte Wirtschaftsförderungs- und Beteiligungsverwaltung wäre diese Lösung so schnell nicht möglich gewesen.

Und hierin ist auch die Basis für zukünftige erfolgreiche Strukturmaßnahmen zu sehen. Wir Sozialdemokraten unterstützen voll und ganz das Vorhaben von Oberbürgermeister Wehling, die Wirtschaftsförderung in Oberhausen neu zu strukturieren und damit noch effektiver zu machen. Die „alte“ ENO als erfolgreiches Public-Private-Partnership-Modell muss in der Struktur erhalten bleiben. Daneben gilt es, eine in der Zielvorgabe breiter aufgestellte neue Wirtschaftsförderungsgesellschaft zu realisieren, die noch gezielter alle am Arbeitsmarkt agierenden Akteure gleichermaßen anspricht und aktiviert als das bisher der Fall gewesen ist.

Das Projekt „Sterkrader Tor“ zeigt, dass alte Industrieflächen nach wie vor attraktive Standorte für neue Angebote und damit auch zusätzliche Arbeitsplätze sein können. Sicherlich hat die Realisierung des „Tores“ länger gedauert als ursprünglich vermutet und angekündigt. Aber auch dieses Beispiel macht wieder einmal deutlich, dass das Lamentieren der Oberhausener CDU gegen neue Projekte des Strukturwandels immer nur so lange dauert, bis das jeweilige Vorhaben kurz vor der erfolgreichen Vollendung steht. So wird es sich auch wieder mit EUROVISION entwickeln, da bin ich mir völlig sicher.

Meine Damen und Herren, zur dritten Frage, was haben wir von den übergeordneten politischen Ebenen – insbesondere von der Landesregierung – zu erwarten?

Geradezu visionär hat Kollege Schranz in seiner letzten Haushaltsrede vor einem Jahr diese Frage beantwortet: „Die Landesregierung setzt den Raubzug durch die kommunalen Kassen fort!“ In der Tat, seit dem 22. Mai 2005 war das noch nie so wahr!

Die CDU-geführte Landesregierung spart zwar nicht, aber sie verteilt um. Und zwar so massiv zu Lasten der Ruhrgebietsstädte, dass man schon fast von einer Kriegserklärung sprechen kann. Skandalöse Kürzungen in den Strukturprogrammen führen dazu, dass das Ruhrgebiet keinerlei EU-Fördermittel mehr abrufen kann. Städtebauförderungsmittel für den Masterplan Innenstadt oder die Stadtteilerneuerung Lirich werden fast auf Null gesetzt. Und dies wird von der Wirtschaftsministerin Thoben begleitet mit dem Spruch: „Das Ruhrgebiet muss sich endlich auf seine Kraft besinnen und sich selbst helfen!“ Ignoranz pur!

Gleich werden wir uns noch mit einer Resolution befassen, die sich insbesondere mit den schier unglaublichen Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich beschäftigt.

An dieser Stelle nur ein einziges Beispiel: Wer wie die CDU-geführte Landesregierung das „Jahr des Kindes“ propagiert, aber gleichzeitig allein unserer Stadt 856.000 ? Zuschüsse im KTE-Bereich wegstreicht und dies mit dem Hinweis verknüpft, man könne ja dafür die Elternbeiträge erhöhen, der kann nur als asozial und arrogant begriffen werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrücklich bei den CDU-Kollegen Hans Jürgen Nagels und Andreas Schneider bedanken. Beide hatten das Engagement und den Mut, als Leiter der Arbeitskreise „Jugend und Schule“ und „Soziales und Integration“ der CDU-Ratsfraktion einen Protestbrief an die CDU-Landtagsfraktion zu senden. Zitat: „So sehr uns die Notwendigkeit der Konsolidierung des Landeshaushaltes bewusst ist, halten wir jedoch den vorgeschlagenen Weg für diskussions- und fragwürdig. Ein nicht geringer Teil der geplanten Kürzungen im Rahmen der 20%-igen Einsparungen trifft unsere soziale Infrastruktur hart. Die besondere soziale Situation von Ruhrgebietsgemeinden wie Oberhausen erfordert aus unserer Sicht Einsparungen mit Augenmaß aber nicht pauschale Kürzungen in wesentlichen Bereichen.“ Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen.

Ein zweiter Aspekt zum Themenbereich Gerechtigkeitslücke bei der Behandlung der Ruhrgebietsstädte. Stadtkämmerer Bernd Elsemann hat bereits mehrfach auf die Höhe der städtischen Zahlungen in den Solidaritätsfonds Deutsche Einheit hingewiesen. Ich will jetzt überhaupt nicht populistisch beantragen – wie es mittlerweile in einigen Städten geschehen ist -, die Zahlungen an den Fonds einzustellen. Aber ich möchte nur an einem Beispiel die – aus meiner Sicht – entstandene Schieflage verdeutlichen.

Allein die im RVR zusammengeschlossenen Städte und Kreise (ohne Hamm, Mülheim und den Ennepe-Ruhr-Kreis) hatten im März mit über 334.000 gemeldeten Arbeitslosen eine höhere absolute Zahl an Arbeitslosen als jeweils Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Berlin. Und Gesamt-NRW hat mit 1.079.723 Arbeitslosen lediglich knapp 10.000 Arbeitslose weniger als Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen und Sachsen zusammen!

Ich glaube, diese Zahlen sprechen für sich und machen deutlich, dass auf Länder- und Bundesebene ein Umdenkungsprozess eingeleitet werden muss. Investitionsförderungen müssen sich an der Strukturschwäche von Regionen orientieren und nicht danach, ob es sich um Regionen in den alten oder den neuen Bundesländern handelt. Nicht die Himmelsrichtung sollte über den Einsatz von Fördermitteln entscheiden, sondern die jeweilige finanzielle und strukturelle Situation.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz knappster Kassenlage benötigen wir auch weiterhin Gestaltungsspielräume für unsere Stadt, für die Bürgerinnen und Bürger in Oberhausen.

Priorität müssen dabei die Maßnahmen besitzen, die Zukunft gewährleisten, den Zusammenhalt fördern, kurz ein Zuhause schaffen. Oberhausen als Stadt mit einer hohen Wohn- und Lebensqualität für junge Familien wie auch für ältere Menschen. Oberhausen als Heimatstadt mit einer guten Infrastruktur für Bildung, Kultur und Freizeit sowie einem gut ausgebauten Dienstleistungsangebot.

Dabei setzen wir Sozialdemokraten drei Schwerpunkte für die zukünftige Entwicklung: Fortführung des Strukturwandels, Bildung und Familie.

Die Fortsetzung des Strukturwandels ist die zentrale Voraussetzung für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Nur wenn wir es schaffen, die Attraktivität unserer Stadt für die Ansiedlung neuer Unternehmen zu steigern, wird der Strukturwandel erfolgreich fortgesetzt werden können. Die Beratungskompetenz unserer Wirtschaftsförderung, die gut ausgebaute Infrastruktur unserer Gewerbeflächen, aber auch die „weichen“ Standortfaktoren Kultur-, Bildungs- und Sportangebote tragen alle gleichermaßen zur Attraktivitätssteigerung Oberhausen bei und sind deshalb unverzichtbar.

Im Bildungsbereich hat unsere Stadt mit dem zügigen und flächendeckenden Ausbau der Offenen Ganztagsgrundschule eine Vorreiterrolle bewiesen. Trotz der großen Verunsicherung, die die Landesregierung zurzeit mit der chaotisch durchgeführten Änderung des bestehenden Schulgesetzes verursacht, halten wir im Grundschulbereich an dem Prinzip „Kurze Beine – kurze Wege“ fest.

Die aktuelle Diskussion über die Situation an der Berliner Rütli-Schule zeigt, dass die in Oberhausen schon vor Jahren – insbesondere durch kommunale Mittel – forcierte Versorgung der Haupt- und Förderschulen mit Angeboten der Schulsozialarbeit richtig war und fortgesetzt werden muss.

Die Stärkung der Familie ist das Ziel des von Oberbürgermeister Wehling ins Leben gerufenen „Bündnisses für Familie“. Die Einrichtung von neuen Stellen, die wir gleich noch beschließen werden, für das Familienbüro und das geplante Frühwarnsystem wird von der SPD-Fraktion begrüßt und unterstützt.

Für den weiteren Ausbau der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren zwingend erforderlich. Wir sprechen uns deshalb dafür aus, möglichst alle durch die zurückgehenden Kinderzahlen freiwerdenden Kapazitäten für die benötigte Betreuung der unter dreijährigen Kinder zu nutzen.

Durch die Zusammenlegung des Kinder, Jugend- und Schulbereiches in einem Dezernat ergeben sich aus unserer Sicht neue Chancen hinsichtlich der Verknüpfung zwischen den Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereichen. Perspektivisch müssten sich unserer Meinung nach die überlappenden Bereiche zu neuen Kooperationsebenen organisieren, um mögliche Synergieeffekte inhaltlicher Art sinnvoll nutzen zu können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Oberhausen lebens- und liebenswert erhalten und gestalten ist unsere Zielvorgabe. Gerade vor dem Hintergrund der gravierenden demographischen Entwicklung im Ruhrgebiet müssen wir jede Chance nutzen, die Einwohnerzahl in Oberhausen stabil zu halten. Dafür muss die Infrastruktur „stimmen“, Oberhausen muss attraktiv bleiben. Das schaffen wir – bei knappster Haushaltslage – nur mit viel Kreativität und Gemeinsamkeit. Oberhausen und seine Menschen haben es verdient.

Glückauf Oberhausen!“

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