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Für ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern:

100 Jahre Internationaler Frauentag!

Der Bundesvorstand der SPD hat anlässlich des heutigen 100. Jahrestages des Internationalen Frauentages folgenden Beschluss gefasst:

Für ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern

„Es gibt keine Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter“.
August Bebel, Die Frau und der Sozialismus

Für eine lebenswerte Gesellschaft brauchen wir ein gleichberechtigtes und partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern. So kann sich das Potential aller Menschen am besten entfalten. Gesellschaftlicher Fortschritt und die Gleichstellung der Geschlechter gehören zusammen.

Diese Erkenntnis prägt die Sozialdemokratie seit mehr als 130 Jahren. Sie war der Antrieb für gesellschaftspolitische Erfolge der SPD, wie: gleiches Wahlrecht, Angleichung der Löhne, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Reform des Ehe- und Familienrechts.

Die SPD kann anlässlich des 100. Internationalen Frauentages (siehe Anlage) stolz auf das Erreichte sein. Mit dem hier vorgestellten Aktionsplan für ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern setzen wir diesen Weg fort.

Die Gleichstellung der Geschlechter und eine neue, gleichberechtigte Partnerschaftlichkeit sind Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Frauen und Männer müssen nicht nur die gleichen Startchancen haben, sondern sich tatsächlich partnerschaftlich Familie sowie Beruf und Karriere teilen können.

Die bestausgebildete Frauengeneration aller Zeiten kann sich selbst verwirklichen wie noch nie. Vielfältige neue Lebensentwürfe entstehen. Dennoch leben die alten Rollenmuster fort, verbunden mit ungleicher Bezahlung und geringeren Karrierechancen.

Die meisten Frauen und immer mehr Männer wollen diese Ungerechtigkeit nicht länger hinnehmen. Sie wollen sich gemeinsam um die Erziehung ihrer Kinder und den familiären Alltag kümmern. Sie wollen sich beide in ihrem Beruf verwirklichen, sich qualifizieren und aufsteigen. Sie wollen die Freude und die Belastungen in der Familie teilen.

Dieser Ansatz der Partnerschaftlichkeit bleibt nicht auf den privaten Bereich begrenzt, er kann die Kultur der ganzen Gesellschaft prägen. Er führt zu einem Wandel der Arbeitswelt. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, damit neben dem Beruf Raum ist für Familie, Weiterbildung, gesellschaftliches Engagement und Freizeit. Davon profitieren insbesondere Alleinerziehende.

Echte Partnerschaftlichkeit erfordert neues Denken in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens: Bildung, Betreuung und Pflege, Arbeitsmarkt und Steuergesetzgebung.

Wir brauchen zudem gesetzlich verankerte Quoten, damit sich Frauen auch dort durchsetzen können, wo ihnen eingefahrene Machtgefüge den Weg versperren. Wer dazu nicht bereit ist, wie die Bundeskanzlerin, verfestigt ungerechte und unproduktive Verhältnisse. Wir wollen sie verändern.

Aktionsplan für ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Miteinander von Frauen und Männern

Mit unserem „Aktionsplan Gleichstellung“ wollen wir eine partnerschaftliche und gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens erreichen. Dazu gehören:

  • die Aufwertung der so genannten Frauenberufe
  • gute Arbeit statt prekärer Beschäftigung
  • flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne
  • ein Entgeltgleichheitsgesetz
  • Abbau der Diskriminierung durch Teilzeitarbeit
  • die partnerschaftliche Teilung von Beruf und Karriere einerseits und familiärer Sorge anderseits, durch Infrastruktur und sozial abgesicherte Reduzierung der regulären Arbeitszeit
  • gesetzliche Mindestquoten von 40 Prozent für Vorstände und Aufsichtsräte
  • ein geschlechtergerechtes Steuersystem
  • die paritätische Besetzung von öffentlich-rechtlichen Gremien und Gremien, in denen die öffentliche Hand die Mehrheit entsendet
  • ein neuer Frauenförderplan für die SPD

Handeln bei Bildung und Berufswahl

Frauen haben bessere und höhere Bildungsabschlüsse als Männer. Die Wahl ihrer Studienfächer und ihrer Berufe ist dennoch sehr eingeschränkt. Bei der dualen Ausbildung beschränken sich Frauen auf wenige Berufe, die zudem schlecht bezahlt sind und kaum Aufstiegsmöglichkeiten bieten. In naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen sind sie immer noch in der Minderheit. Selbst in den Studienfächern, die häufig von Frauen belegt werden, promovieren und habilitieren Frauen seltener als Männer.

Wir wollen für eine Veränderung dieses geschlechtsspezifischen Verhaltens werben. Das partnerschaftliche und gleichberechtigte Miteinander muss von Anfang an Leitbild der Erziehung sein. Wir wollen „typische Frauenberufe“ aufwerten, um sie für beide Geschlechter attraktiv zu machen. Es ist nicht einzusehen, dass die Reparatur von Waschmaschinen besser bezahlt wird als die Erziehung unserer Kinder.

Handeln am Arbeitsplatz und im Betrieb

Ein partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern am Arbeitsplatz setzt gleiche Bezahlung für gleiche Leistung voraus. Es erfordert flexible Arbeitszeiten, die den unterschiedlichen Lebensphasen gerecht werden. Frauen müssen die gleiche Chance haben wie Männer, Führungspositionen auszufüllen. Zudem müssen Beruf und Karriere für Frauen und Männer mit einem erfüllten Familienleben vereinbar sein.

Frauen verdienen 23 Prozent weniger als Männer. Bei gleichwertiger Tätigkeit sind es 13 Prozent. Das ist ein Skandal.

Wir wollen daher flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne einführen. Das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit wollen wir durchsetzen und typische Frauenberufe aufwerten. Dazu werden wir im Deutschen Bundestag ein Gesetz für Entgeltgleichheit vorlegen.

Auch die Gestaltung der Arbeitszeit wird für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wichtiger. Die Kindererziehung sowie die Pflege Angehöriger einerseits und Beruf sowie Karriere andererseits müssen sich miteinander vereinbaren lassen. Wenn die Beschäftigten ständig verfügbar sein müssen und überlang arbeiten, ist das auf Dauer kontraproduktiv. Nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten leidet, sondern auch die Produktivität der Unternehmen.

Deshalb brauchen wir neben einer besseren Betreuungs-, Bildungs- und Pflegeinfrastruktur eine Arbeitszeitpolitik und vor allem Arbeitsorganisation, die unterschiedlichen Lebensphasen gerecht wird. Wir wollen mit Lohnersatzleistungen Zeiten von Kindererziehung und Pflege finanziell abfedern. Bei beruflicher und außerberuflicher Weiterqualifizierung wollen wir ebenfalls Lohnersatzleistungen im Rahmen einer Arbeitsversicherung einführen.

In kaum einem anderen europäischen Land gibt es so wenige Frauen in Führungspositionen. Die freiwillige Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Wirtschaftsverbänden (2001) hat daran wie erwartet nichts gebessert. Diese gigantische Verschleuderung von Bildung und sozialer Kompetenz darf sich eine wettbewerbsorientierte Volkswirtschaft einfach nicht leisten.

Von alleine ändert sich nichts. Die männlich geprägte Unternehmenskultur, wozu auch die abendliche Präsenz gehört, schließt nach wie vor Arbeitnehmerinnen, insbesondere Mütter, von Karrieren aus.

Wir werden daher im Deutschen Bundestag ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft inklusive einer Mindestquote von 40 Prozent Frauen für Vorstände und Aufsichtsräte vorlegen. Dieses Ziel wollen wir bis zu den übernächsten Aufsichtsratswahlen im Jahr 2018 für börsennotierte Aktiengesellschaften erreicht haben. Wie das Beispiel Norwegen zeigt, liegt das auch im Interesse der Wirtschaft. Gemischte Teams sind produktiver. Dies gilt auch für Führungspositionen in Wissenschaft und Forschung.

Arbeit und Karriere müssen mit dem Wunsch vereinbar sein, Kinder zu haben und sich um sie kümmern zu können – für Frauen und Männer. Besonders in Westdeutschland reduzieren viele Mütter ihre Arbeitszeit, während die Väter ihre Arbeitszeit erhöhen.

Das finden häufig beide Partner unbefriedigend, entspricht aber noch viel zu oft der ökonomischen Vernunft und den Öffnungszeiten der Kitas und Schulen.

Das Elterngeld und der Ausbau der Ganztagesbetreuung erleichtern es bereits, Kinder zu haben und einen Beruf auszuüben. Allerdings nimmt nur ein Viertel der Väter Elternzeit – meist nur zwei Monate. Wir wollen das Elterngeld daher künftig so gestalten, dass die Elternzeit partnerschaftlicher als bisher aufgeteilt werden kann.

Zudem wollen wir die Vereinbarkeit häuslicher Pflege mit Beruf und Karriere verbessern – durch eine partnerschaftlich ausgestaltete und sozial abgesicherte Pflegezeitregelung, die das Pflegen von Angehörigen nicht zur beruflichen und finanziellen Sackgasse werden lässt, durch wohnortnahe Infrastruktur, wie zum Beispiel Pflegestützpunkte oder Tagespflege, sowie durch bezahlbare Dienstleistungen zur Unterstützung der häuslichen Pflege, wie z.B. Haushaltshilfen oder Betreuung der Pflegebedürftigen.

Handeln für bessere gesetzliche Rahmenbedingungen

Für die meisten Frauen, vor allem in Ostdeutschland, ist es selbstverständlich, erwerbstätig zu sein, auch wenn sie verheiratet sind und Kinder haben. Über 60 Prozent der Mütter kleiner Kinder sind berufstätig. Das sind allerdings deutlich weniger als in vielen anderen europäischen Ländern, vor allem den skandinavischen. Zwar arbeiten auch in Deutschland immer mehr Frauen, aber sie arbeiten insgesamt nicht mehr Stunden. Häufig arbeiten gerade Frauen in prekären Jobs als (unfreiwillig) Teilzeitbeschäftigte oder Mini-Jobberinnen ohne soziale Absicherung. Das bedeutet: schlechtere Bezahlung, fehlende eigenständige Existenzsicherung, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten, Altersarmut. Diese Benachteiligungen wollen wir abbauen.

Teilzeitarbeit, insbesondere mit geringer Stundenzahl, ist der Karrierekiller Nummer eins. Deshalb wollen wir den Beschäftigten einen rechtlichen Anspruch auf befristete Teilzeit geben, die von der Stundenzahl her der Vollzeit möglichst nahe kommt. Gleichzeitig werden wir im Teilzeitbereich gleichen Lohn, gleiche Qualifizierungsmöglichkeiten und gleiche Aufstiegschancen von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten durchsetzen.

Zudem wollen wir die wöchentlich zulässige Arbeitszeit für die Mini-Jobs wieder begrenzen, um Lohndumping zu verhindern. Wir wollen bis zum nächsten Parteitag ein Konzept vorlegen, das reguläre und sozial abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse für alle fördert anstatt ausufernde Minijobs.

Bisher macht das Steuerrecht die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit für Ehefrauen unattraktiv. Das Ehegattensplitting, das bekanntlich nicht an Kinder gebunden ist, begünstigt den männlichen Alleinverdiener mit höherem Einkommen. Das wird auch von Europäischer Union und OECD scharf kritisiert.

Wir wollen eine individuelle Besteuerung beider Ehegatten. Das soll aus Gründen des Vertrauensschutzes nur für künftige Ehen gelten. Gegenseitige Unterhaltsverpflichtungen werden steuerlich angerechnet.

Politik als Vorbild – ein neuer Frauenförderplan für die SPD

Wer die Gesellschaft verändern will, muss bei sich selbst anfangen.
Die Einführung der Quote vor mehr als 20 Jahren hat die SPD positiv verändert. Im Parteivorstand beträgt der Frauenanteil mittlerweile 42 Prozent, im Präsidium 41,2 Prozent und in der SPD-Bundestagsfraktion 38,5 Prozent. Auch in den Landes- und Bezirksvorständen ist die Mindestquote von 40 Prozent überwiegend erreicht.

Aber wir haben althergebrachte Strukturen noch nicht vollends beseitigen können: Nur der Landesverband Nordrhein-Westfalen hat eine weibliche Vorsitzende. Und nur in etwa jedem vierten Unterbezirk bzw. Kreisverband steht eine Frau an der Spitze. In den Ortsvereinen sind es noch weniger.

Wir müssen daher insbesondere die aktive Frauenförderung auf der kommunalen Ebene verstärken.

Bislang kann ein Verstoß gegen die 1988 eingeführte Quoten-Regelung nicht bestraft werden. Und so kommt es weiterhin vor, dass nicht aktiv nach Frauen gesucht, die Wahlordnung zuungunsten von Frauen nicht richtig angewandt oder gar die Kandidatur von Frauen verhindert wird.

Wir werden daher für die Ortsvereine, Unterbezirke, Bezirke und Landesverbände Frauenförderpläne entwickeln.

Dabei können wir auch von unseren internationalen Schwesterparteien lernen, wie zum Beispiel der Norwegischen Arbeiterpartei. Ihr Trainingsprogramm „Women can do it“ stärkt das Selbstvertrauen und lehrt die Regeln der politischen und organisatorischen Arbeit. Es fördert zudem Netzwerke. Das alles erleichtert Frauen mehr Einfluss zu bekommen.
Wir werden unsere parteiinternen Bildungsangebote – die Parteischule, die Kommunalakademie, die Führungsakademie und das Netzwerk Politische Bildung – nutzen, um Frauenförderung und Gendertrainings zur Selbstverständlichkeit zu machen.

Es gibt für uns noch viel zu tun, aber wir packen es an:

Wir wollen unsere Arbeitsstrukturen so verändern, dass Beruf und Familie auch mit politischem Engagement besser vereinbar werden.

Auch das Wahlrecht verhindert in vielen Fällen, dass Frauen in kommunalen Gremien und Parlamenten besser vertreten sind. Deshalb wollen wir nach dem Vorbild des französischen Parité-Gesetzes im Bundestag und in den Landtagen entsprechende Vorschläge zur Änderung der Wahlgesetze einbringen, um eine paritätische Besetzung von Wahllisten, notfalls auch durch Androhung finanzieller Sanktionen, durchsetzen zu können.

Zu diesen Fragen – ebenso wie zur besseren Repräsentanz von Frauen in hauptamtlichen Führungspositionen – wird der Parteivorstand dem ordentlichen Parteitag im Dezember 2011 einen Frauenförderplan vorlegen. Ziel ist eine paritätische Beteiligung von Frauen und Männern auf allen Ebenen innerhalb der nächsten 10 Jahre.

Anlage:

100 Jahre Internationaler Frauentag – eine Bilanz

Die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen ist seit mehr als 130 Jahren das Ziel der Sozialdemokratie. August Bebel hat in seinem berühmten Buch „Die Frau und der Sozialismus“ bereits 1879 ein Bild gezeichnet, wie er sich „Die Frau in der Zukunft“ vorstellt: „Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und ökonomisch vollkommen unabhängig, sie ist keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche gegenüber und ist Herrin ihrer Geschicke.“

Partnerschaftliche gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben, an der Familienarbeit und am gesellschaftlichen und kulturellen Leben war und ist das Leitbild der SPD. Hierfür die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen zu schaffen, hat bis heute nichts an Aktualität verloren, auch wenn wir der Vision von August Bebel in vielem schon nahe gekommen sind.

100 Jahre Internationaler Frauentag – 100 Jahre Kampf für die Rechte der Frauen

Bereits am 19. März 1911 waren die zentralen Forderungen der Sozialdemokratinnen und Gewerkschafterinnen: Gleiches Wahlrecht, gleicher Lohn für gleiche Arbeit sowie Verbesserungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Frauen. Viele Fortschritte, wie z.B. das Wahlrecht, aber auch die Reform des Ehe- und Familienrechtes, die aktive Frauenförderung und vieles mehr gehen auf das Engagement von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung, aber auch auf Urteile des Bundesverfassungsgerichtes oder des Europäischen Gerichtshofes zurück. Die formale rechtliche Gleichstellung ist erreicht – die tatsächliche allerdings noch nicht.

2011 erinnern wir an den Internationalen Frauentag, der am 19. März 1911 erstmals stattfand. Die Sozialistische Frauenkonferenz in Kopenhagen hatte 1910 auf Antrag von Clara Zetkin beschlossen, einen Frauentag zu veranstalten, „der in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dient.“ 1911 begingen Sozialdemokratinnen und Gewerkschafterinnen den Internationalen Frauentag als Kampftag für die Rechte der Frauen. Gleiches Wahlrecht, aber auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit sowie Verbesserungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Frauen zählten zu den Forderungen der Demonstrantinnen.

Die SPD forderte seit 1891 das allgemeine und gleiche Wahlrecht bereits in ihrem Grundsatzprogramm. Sie stellte als einzige Partei immer wieder Anträge im Reichstag. Sie konnte es aber erst 1918 nach dem politischen Umsturz vom Kaiserreich zur Republik durchsetzen.

Erstmals konnten Frauen 1919 an der Wahl zur Nationalversammlung teilnehmen und selbst gewählt werden. Die Sozialdemokratin Marie Juchacz sprach am 19. Februar 1919 als erste Frau in einem deutschen Parlament.

In der Zeit der Hitler-Diktatur wurde den Frauen das passive Wahlrecht wieder genommen, sie verloren erneut das Recht auf demokratische Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft, ihr Zugang zu den Universitäten wurde drastisch eingeschränkt, Beamtinnen wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Die nationalsozialistische Ideologie warf die Frau auf ihre Rolle als Hüterin des Hauses und Mutter zurück.

Nach dem Desaster des Zweiten Weltkrieges knüpfte die SPD da an, wo 1933 ein brutales Ende gesetzt wurde. Die Sozialdemokratin Elisabeth Selbert kämpfte als eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“ im Parlamentarischen Rat – letztlich erfolgreich – vehement für die Gleichberechtigung der Frau ohne Wenn und Aber. Mit der formellen Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde 1949 das Gleichberechtigungsgebot und Diskriminierungsverbot mit Artikel 3 geltendes Recht im westlichen Teil des Nachkriegsdeutschlands festgeschrieben, dessen Teilung immer tiefere Gräben aufriss.

Auch in der DDR-Verfassung von 1949 war die Gleichberechtigung von Frauen und Männern verankert, auch hier waren Lohngleichheit und der besondere Schutz von Frauen rechtlich geregelt. Aber in der Praxis ergaben sich für die Frauen in Ost und West unterschiedliche Lebenswirklichkeiten. In der DDR galt das Leitbild der vollerwerbstätigen Frau, Kinderbetreuungseinrichtungen gehörten zu den staatlichen Aufgaben. Die Haus- und Familienarbeit blieb jedoch an den Frauen hängen. Dennoch wirkt die hohe Erwerbsorientierung der Frauen in Ostdeutschland bis heute fort. 1972 wurde der Schwangerschaftsabbruch in der DDR liberalisiert, Verhütungsmittel wurden kostenlos abgegeben.

Im Westen dauerte der politische Kampf um die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs noch ein paar Jahre länger. Hier hatte sich nach 1949 eher wieder die traditionelle Rolle der Frau und Mutter als Hausfrau und als Zuverdienerin etabliert. Damit geriet auch der Internationale Frauentag zwischen die ideologischen Fronten. In der DDR wurde er alljährlich zum Rote-Nelken-Ritual, in der Bundesrepublik wurde er als „kommunistischer Feiertag“ vorübergehend aufgegeben. Seine Wiederbelebung kam von der internationalen Ebene mit dem Beschluss der UN, das Jahr 1975 zum „Jahr der Frau“ zu deklarieren, in dessen Folge der Internationale Frauentag 1977 offiziell zum Tag der Vereinen Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden erklärt wurde. 1978 griff auch die Sozialistische Internationale (SI) den Gedanken wieder auf. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) in der Bundesrepublik rief 1982 nach über einem Jahrzehnt leidenschaftlicher Debatten im Rahmen der „neuen Frauenbewegung“ erstmals wieder zum Internationalen Frauentag als politischem Aktionstag auf.

Blütezeiten der Frauen- und Gleichstellungspolitik in der Bundesrepublik ergaben sich immer dann, wenn die SPD Regierungsverantwortung trug und auch unter massivem Störfeuer der konservativen Opposition den Mut zu Paradigmenwechseln hatte. So in den 1970er Jahren, als sie das gesetzlich immer noch verankerte Leitbild der Hausfrauenehe abschaffte, das Namensrecht entrümpelte, im Scheidungsfall das Schuldprinzip durch das Zerrüttungsprinzip ersetzte und die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs erkämpfte. Die rot-grüne Bundesregierung machte sich ab 1998 erneut auf den Weg und bewirkte einen weiteren Paradigmenwechsel, der inzwischen zum Allgemeingut aller politischen Richtungen geworden ist: Ganztagsbetreuung von Kindern aller Altersstufen, ausgelöst durch ein zunächst heftig umstrittenes Ganztagsschulprogramm mit Fördermitteln des Bundes.

Die Bundesregierung hat Gleichstellungspolitik zum Grundprinzip des Regierungshandelns gemacht. Ein wesentlicher Schritt war die Einführung des Gender Mainstreaming Prinzips in die Geschäftsordnung und damit in die Praxis der Bundesregierung. Damit verpflichtete sich die Bundesregierung, in allen Politikfeldern zu prüfen, ob und wie sie dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit entsprechen kann. Dieses Prinzip ergänzt die immer noch notwendigen Frauenfördermaßnahmen, es ist nicht etwa deren Ersatz, wie gern unterstellt wurde.

Weitere gleichstellungspolitische Erfolge waren z. B. das Bundesgleichstellungsgesetz, das Gewaltschutzschutzgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz und die rentenrechtliche Anerkennung von Erziehungszeiten sowie die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften.

In der großen Koalition wurden das von der SPD entwickelte Konzept des Elterngeldes und der Rechtsanspruch von Kindern auf Bildung und Betreuung ab dem ersten Geburtstag sowie, entsprechend den Vorgaben der Europäischen Union, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchgesetzt. Nicht gelungen ist es bisher, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft auf den Weg zu bringen. Die freiwillige Vereinbarung von 2001 zwischen der Bundesregierung und den Wirtschaftsverbänden hat wie erwartet nicht zu mehr Frauen in Führungspositionen geführt. Die schwarz-gelbe Koalition hat daraus nichts gelernt und weigert sich, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Damit trägt sie dazu bei, dass Deutschland in Sachen Gleichberechtigung im europäischen Vergleich immer mehr zurückfällt: die inzwischen von vielen europäischen Ländern nach dem Modell des sozialdemokratisch geprägten Norwegen übernommene Verpflichtung zur 40-Prozent-Beteiligung von Frauen in Aufsichtsräten wurde jüngst sogar vom Sarkozy-Frankreich beschlossen.

Die Zwischenbilanz zum 100. Internationalen Frauentag: Die SPD hat in zu wenigen Regierungsjahren viel erreicht, aber die gleichstellungspolitische Agenda ist noch längst nicht erschöpft.

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