Im April dieses Jahres erschütterte ein besonders grausamer Femizid die ostwestfälische Kleinstadt Espelkamp: auf brutale Weise tötete ein 45-jähriger Mann mit mindestens 32 Messerstichen seine Ehefrau im Schlaf. Das Gericht wertete die Tat als klassischen Femizid, bei dem patriarchale Gewalt und Besitzdenken als zentrale Motive identifiziert wurden.
Den Wunsch der Ehepartnerin nach einem selbstbestimmten Leben konnte der Täter nicht akzeptieren, was in der tödlichen Gewalt gipfelte. Der Täter wurde vom Gericht wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen und Heimtücke zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Im August 2025 kam es in Lippstadt zu einem weiteren tragischen Femizid, bei dem eine 36- jährige Frau durch mehrere Messerstiche ihres Partners getötet wurde. Trotz polizeilicher Maßnahmen, darunter ein Wohnungsverweis und ein Rückkehrverbot für den Tatverdächtigen, konnte die Tat nicht verhindert werden.
Dieser Fall verdeutlicht, dass bestehende Schutzmechanismen in Situationen häuslicher Gewalt nicht immer ausreichen, um die Sicherheit der Betroffenen zu gewährleisten.
Präventive Maßnahmen
„Diese beiden Fälle stehen beispielhaft für die Herausforderungen im Umgang mit Gewalt in Partnerschaften. Sie unterstreichen die Notwendigkeit, präventive und koordinierte Maßnahmen zu stärken, um gefährdete Personen besser zu schützen und weitere Gewalttaten zu verhindern. Angesichts der weiterhin hohen Zahl von Femiziden in Nordrhein-Westfalen ist es von zentraler Bedeutung, die bestehenden Strukturen und Instrumente des Gewaltschutzes kritisch zu überprüfen, gegebenenfalls zu verbessern und konsequent auszubauen“, erklärt die SPD-Politikerin Sonja Bongers.
Das eigene Zuhause ist idealerweise ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit. Leider entspricht das nicht der Realität für jeden Menschen in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen. Das belegen erneut die jüngsten Zahlen des Bundeskriminalamts von Ende November 2025.
Das aktuelle Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2024“, das nun im zweiten Jahr in Folge von der Bundesregierung veröffentlicht wird, zeigt, dass häusliche Gewalt und geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Gewalt um weitere 3,8 Prozent gestiegen ist und damit einen neuen Höchststand erreicht hat. Demnach waren im vergangenen Jahr 265.942 Menschen, davon mehr als 73 Prozent weiblich, von häuslicher Gewalt betroffen. Im Fünfjahresvergleich beträgt der Anstieg fast 18 Prozent.
Im Kontext der Partnerschaftlichen Gewalt handelt es sich bei den Betroffenen mit einem Anteil von 80,6 Prozent überwiegend um Frauen. Fast täglich wird in Deutschland ein Femizid begangen, also eine Frau aus frauenfeindlichen Motiven getötet. 308 Frauen und Mädchen verloren deshalb im Jahr 2024 ihr Leben, 191 von ihnen durch Menschen aus dem näheren Umfeld. Insgesamt wurden 859 Frauen und Mädchen Opfer eines versuchten oder vollendeten Tötungsdelikts.
Insgesamt bedeuten diese Zahlen, dass durchschnittlich pro Stunde 15 Frauen Opfer von partnerschaftlicher Gewalt werden – eine alarmierende Zahl. Die Frequenz und der Schweregrad der Gewalterfahrung ist bei Frauen über alle Gewaltformen hinweg höher als bei Männern. Rund ein Viertel der Opfer von Partnerschaftsgewalt wird mehrfach Opfer.
Zudem erleben die Betroffenen von Partnerschaftsgewalt oft mehrere Gewaltformen. Von innerfamiliärer Gewalt sind am stärksten Kinder zwischen 6 und 14 Jahren betroffen. Dies spiegelt sich auch im Alltag in Frauenhäusern wider – dort wohnen mehr Kinder als Frauen, da 60 Prozent der Frauen mit ihren Kindern ins Frauenhaus kommen. Kinder, die diese Gewalt miterleben, sind häufig traumatisiert und benötigen schnell fachgerechte Unterstützung. Doch nicht alle Frauenhäuser sind dafür entsprechend ausgestattet. Oft fehlt es an kindgerechten Räumlichkeiten und Fachkräften.
Bei den Zahlen handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs. Die Realität dürfte viel dramatischer aussehen. Denn viele Taten häuslicher, partnerschaftlicher und digitaler Gewalt werden erst gar nicht angezeigt, etwa aus Angst, Abhängigkeit oder Scham. Die Anzeigequote liegt meist unter zehn Prozent, bei Partnerschaftsgewalt sogar unter fünf Prozent. Das zeigen erste Ergebnisse der Dunkelfeld-Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)“.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 für Nordrhein-Westfalen, die im März 2025 veröffentlicht wurde, zeichnete bereits ein ähnliches Bild für Nordrhein-Westfalen. Auch hier gab es 2024 mehr Fälle von häuslicher Gewalt als im Vorjahr. Während die Gesamtkriminalität um 1 Prozent zurückgegangen ist, sind die Fälle häuslicher Gewalt im Vergleich zu 2023 um 1,9 Prozent gestiegen. Dahinter stehen 61.406 Fälle, in denen Personen im eigenen Zuhause, der Familie oder in ihrer Partnerschaft Gewalt erfahren haben. Hierzu zählen insbesondere: einfache und gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Stalking oder Nötigung.
Gesetz muss kommen
Die neuesten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik zeigen deutlich, dass die Landesregierung mehr tun muss, um Menschen in Nordrhein-Westfalen in ihrem Zuhause und vor der eigenen Familie oder dem Partner zu schützen.
„Nordrhein-Westfalen muss das beschlossene Gewalthilfegesetz zeitnah und effektiv umsetzen. Bereits ab spätestens 2030 muss jeder schutzsuchenden Frau ein Platz in einem Frauenhaus ermöglicht werden. Dem Landtag muss noch in dieser Legislaturperiode den Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention vorgelegt werden“, so Bongers.
