Corona-Gespräche | 03

Heute zu Gast: Dr. Christine Vogt, Direktorin der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen

Die Kultur zählt mit zu den Hauptleidtragenden der Corona-Pandemie. Über den Umgang mit der schwierigen Situation für die Museen, die Zukunftssorgen aber auch über die Probleme der vielen freien Künstler berichtet die Kunsthistorikerin im Gespräch mit Sonja Bongers.

Sonja Bongers: Die Museen sind zu. Viele Häuser setzen jetzt auf Online-Formate. Wie stehen Sie dazu?

Christine Vogt: Ich will es mal so sagen. Ins Museum gehen ist ins Museum gehen, und vor dem Computer sitzen ist eben vor dem Computer sitzen. Für mich als Kunsthistorikerin ist das uninteressant. Ich frage auch immer in meinem Freundes- und Bekanntenkreis nach – das sind oftmals kulturaffine Leute – wie die das sehen. Da ist keiner, der nach drei Zoombesprechungen über den Tag, abends noch Lust hat, am Computer Kunst anzusehen. Es ist einfach etwas anderes, in einem Museum zu sein. So eine Ausstellung lebt von den Räumlichkeiten und von dem Miteinander der Bilder.

Sonja Bongers: Dennoch laufen in der Ludwiggalerie auch Online-Angebote. Wie sind die denn bislang angenommen worden?

Christine Vogt: Meine Kolleginnen und Kollegen sagen mir immer, das läuft ganz gut, aber das ist natürlich kein Megaseller.

Sonja Bongers: Jetzt können die Museum ja nun wieder öffnen. Wie gehen Sie mit der Situation um?

Christine Vogt: Wir arbeiten mit Zeitfenstern. Die Leute müssen sich per Mail oder telefonisch anmelden und registrieren lassen. Dann bekommen sie ein Termin wann sie kommen können und wie lange sie bleiben dürfen. Ist natürlich anders als sonst. Wir setzen ja immer darauf, die Leute möglichst lange im Haus zu halten. Es dürfen auch nur 40 Leute auf einmal ins ganze Haus. Das sind dann pro Tag maximal 150 Besucher. Zum Vergleich: Bei der Linda McCartney-Ausstellung hatten wir auch schon mal 1500 an einem Tag. Damit ist auch eins klar: Wir können so nicht mehr auf unsere anvisierten Besucherzahlen kommen. Das habe ich auch im Gespräch mit den anderen Ruhrkunstmuseen thematisiert. Wir sind ein Museum mit guten Besucherzahlen. In der Woche ist es voll durch die Schulklassen, am Wochenende durch die Einzelbesucher. Wie das jetzt dauerhaft aufgefangen werden soll, ist mir schleierhaft.

Sonja Bongers: Gibt es denn irgendwelche Hilfen für die Museen?

Christine Vogt: Es gibt Geld aus dem Topf von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Aber in dem Papier steht auch drin, dass kommunale Museen ausgeschlossen sind. Das ist maximal unverständlich. Man wundert sich schon. Dennoch haben wir ja noch Glück. Wir sind bei der Stadt beschäftigt. Für die Künstler und Soloselbstständigen hingegen ist das viel problematischer. Und natürlich für die Leute, die erkrankt sind oder gar die ganzen Toten, davon wollen wir lieber gar nicht sprechen. Da jammern wir auf hohem Niveau.

Sonja Bongers: Gibt es dennoch Kontakte zu anderen Häusern hinsichtlich gemeinsamer Projekte?

Christine Vogt: Ich bin gut vernetzt mit den 21 Ruhrkunstmuseen. Doch der direkte Austausch fehlt. Aber klar, es gibt Pläne, was künftig kommen soll. Das ist aber von Corona unabhängig. Wir brauchen die Planungssicherheit. Normalerweise ist es so, dass jedes Format, jede Ausstellung nach einem Plan läuft. Das ist quasi vorgegeben. Nun müssen wir sehen, was ist überhaupt möglich. Das erschwert schon die Arbeit. Und erzeugt große Unsicherheiten.

Sonja Bongers: Sie haben ja auch den Blick auf Deutschlands Kunstszene. Sehen sie Probleme bei den Künstlern. Denn nicht alle sind ja Gutverdiener?

Christine Vogt: Ja, die Probleme sehe ich. Viele versuchen sich mit Jobs über Wasser zu halten und fliegen dann prompt aus der Künstlersozialkasse (Anmerkung: In der Künstlersozialkasse sind Künstler, freie Journalisten und Schauspieler sozialversicherungspflichtig über den Staat versichert, um sie so vor Altersarmut zu schützen). Das ist ein ganz großes Problem. Dem muss die Politik entgegensteuern.

Sonja Bongers: Sind Künstler aber nicht generell immer finanziell unter Druck?

Christine Vogt: Ein Beispiel: Drei Prozent der Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie können von ihrer Kunst später leben. Drei Prozent… Alle anderen haben zu ihrer Kunst irgendwelche Brotjobs auf Honorarbasis oder haben Partner, die verdienen. Auch wir haben Leute hier beschäftigt, die beim Aufbau oder bei anderen Dingen helfen. Das fällt derzeit alles weg. Alle diese kleinen Nebenjobs, sind weg und das ist schrecklich.

Sonja Bongers: Warum wird das denn nicht öffentlich. Davon bekommt man ja eigentlich sehr wenig mit.

Christine Vogt: Viele von den betroffenen Künstlern gehen damit nicht nach außen. Das ist auch schambesetzt. Wer will schon sagen, dass er jetzt von HartzIV lebt. Und die Gruppe ist gar nicht so klein. Es inzwischen doch so, dass die Kreativwirtschaft mittlerweile ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit vielen kleinen Soloselbstständigen ist.

Sonja Bongers: Gibt es denn unter den Künstlern eine gute Vernetzung um mit den Problemen klar zu kommen?

Christine Vogt: Es gibt die Künstlerbünde, die auch solche Fragen ansprechen. Aber natürlich sind nicht alle dort organisiert. Leute die Kunst machen, sind auch individuell unterwegs.

Sonja Bongers: Wie hält man so ein Team denn in so einer Pandemie zusammen?

Christine Vogt: Es ist ein gutes Team hier in Oberhausen. Wir habe richtig gute Leute hier.

Sonja Bongers: Was kann ich als Politikerin mitnehmen?

Christine Vogt: Das Problem mit der Künstlersozialkasse muss angesprochen werden und das Zweite ist: Was ist mit den Museen, wenn wir dauerhaft nur so wenig Leute hereinlassen können. Wir können unsere Kennzahlen nicht mehr erfüllen. Das Konstrukt des Haushalts fällt damit auseinander. Wenn das andauert, was ist dann. Das betrifft auch die großen Häuser wie das Folkwang-Museum. Was ist, wenn nach Corona irgendwann von 21 Ruhrkunstmuseum nur noch zehn übrig sind. Da stehen ja auch noch andere Dinge dahinter. Dann könnten Frage aufkommen, wie zum Beispiel, benötige ich überhaupt so viele Studiengänge für Kunstgeschichte an den Hochschulen. Dann wird da noch etwas eingespart oder zusammengelegt. Das sind so schleichende Prozesse. Darum geht es ja. Das muss Politik auf dem Schirm haben.

Sonja Bongers: Wenn die Pandemie wirklich einmal vorbei sein sollte, was machen Sie dann als erstes?

Christine Vogt: Ich werde in ein anderes Museum gehen und mir in aller Ruhe eine Ausstellung ansehen.

Die Gesprächsreihe wird fortgesetzt.

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