Die volle Windel bestimmt den Arbeitstag:

Große Brömer und Zimkeit testen „KiBiz“ in der Praxis

Sammelten Eindrücke aus erster Hand von der Arbeit in einer Kindertageseinrichtung: Wolfgang Große Brömer und Stefan Zimkeit

Sammelten Eindrücke aus erster Hand von der Arbeit in einer Kindertageseinrichtung: Wolfgang Große Brömer und Stefan Zimkeit

Wie hat sich das vor rund eineinhalb Jahren von der schwarz-gelben Landesregierung beschlossene Kinderbildungsgesetz („KiBiz“) auf die Arbeit in den Kindertageseinrichtungen ausgewirkt? Dieser Frage gehen Politiker normalerweise mit Expertisen und Gutachten auf den Grund. Wolfgang Große Brömer und Stefan Zimkeit wollten Eindrücke aus erster Hand und absolvierten am Freitag ein Schnupperpraktikum im internationalen Kindergarten „Emek“ in Osterfeld.

Das Motto ihres ungewöhnlichen Einsatzes lautete „Initative TatKraft“. Unter dieser Losung schickt die NRWSPD Parteichefin Hannelore Kraft und die 130 Landtagskandidatinnen und -kandidaten in Krankenhäuser, Forschungsbetriebe oder Altenheime – nicht zum Höflichkeitsbesuch, sondern zum Anpacken. Bei der gemeinsamen Arbeit, so die Idee dahinter, bekommt man die Lebenswirklichkeit der Kollegen auf Zeit hautnah zu spüren.

Wolfgang Große Brömer, SPD-Landtagsabgeordneter für Alt-Oberhausen und Osterfeld, und Stefan Zimkeit, Landtagskandidat der SPD für Dinslaken und Sterkrade, entschieden sich für ein Praktikum in der Kindertageseinrichtung „Emek“. „Als die Landesregierung das Kinderbildungsgesetz gegen alle Widerstände durchgedrückt hat, hatten wir eine riesige Diskussion über die möglichen Folgen“, begründet Zimkeit ihre Wahl. „Jetzt liegen die Fakten auf dem Tisch und wir wollen nachhaken.“ Schließlich müssten auch die Erzieherinnen in den Kitas jeden Tag mit den Folgen des „KiBiz“ umgehen.

Einen Vormittag durften die ambitionierten Praktikanten dem Emek-Team über die Schulter schauen und – wo immer möglich – mit anpacken. Ob Sprachförderung, Basteln oder gemeinsames Mittagessen – der Arbeitsalltag in der KTE ist vielfältig und anspruchsvoll. Große Brömer und Zimkeit waren vom Aufgabenspektrum ihrer professionellen Kolleginnen beeindruckt: „Wir waren erstaunt, wieviele Aufgaben die Erzieherinnen bewältigen müssen, die mit der eigentlichen Betreuung der Kinder im Grunde nichts zu tun haben.“

Die Arbeitsbelastung in den KTE´s beschäftigte dann auch die Diskussionsrunde, zu der Große Brömer und Zimkeit im Anschluss an ihren Praktikumseinsatz eingeladen hatten. Erzieherinnnen und Erzieher von Kindertageseinrichtungen berichteten über ihre Erfahrungen mit dem umstrittenen Kinderbildungsgesetz. Ein zentraler Kritikpunkt wurde von den Teilnehmern dabei immer wieder genannt: Das pädagogische Personal könne seinen Bildungsauftrag kaum noch erfüllen, weil die organisatorischen Aufgaben im Hintergrund stetig zunähmen. Zwischen Schneeräumen und Schriftverkehr bleibe immer zu wenig Zeit für die Arbeit mit den Kindern. Nicht das pädagogisch Sinnvolle, sondern „die volle Windel bestimmt den Arbeitsalltag“, brachte es eine Teilnehmerin auf den Punkt.

Auch angesichts immer neuer Aufgaben, wie Sprachförderung und U3-Betreuung, habe das „KiBiz“ nicht die versprochene Entlastung gebracht. Weder die Ausstattung mit Personal noch die räumlichen Voraussetzungen hätten sich entscheidend verbessert. Dass darunter auch die Eltern zu leiden hätten, berichtete Andreas Blanke, Vorsitzender des Landeselternrates: „Entgegen der Ankündigung der Landesregierung können nur die wenigsten KTE´s wirklich flexible Öffnungszeiten anbieten. Für berufstätige Mütter und Väter, gerade im Schichtdienst, hat sich die Betreuungssituation mit dem Kinderbildungsgesetz im Grunde kaum verbessert.“

Demgegenüber hätten sich die finanziellen Auswirkungen des „KiBiz“ genau so entwickelt wie befürchtet, ergänzte Stefan Zimkeit. Gerade für Städte wie Oberhausen und Dinslaken seien die Folgen gravierend. Das mit dem Kinderbildungsgesetz eingeführte Finanzierungssytem nämlich sei „blind gegenüber den erzieherischen Herausforderungen, die wir in einigen Stadtteilen haben.“ Es mache keinen Unterschied zwischen einem Kindergarten in Düsseldorf-Kaiserswerth oder auf dem Tackenberg in Osterfeld. „Das “KiBiz“ trägt zweifellos dazu bei, die soziale Ungerechtigkeit im Land und das Gefälle zwischen reichen und finanzschwachen Kommunen weiter zu verschärfen,“ bestätigte auch Große Brömer.

„Auch ein neue, SPD-geführte Landesregierung wird nicht alle Probleme bei der Kinderbetreuung im Handstreich lösen können“, gab Zimkeit abschließend zu bedenken. „Aber wir verschließen nicht die Augen vor den Problemen vor Ort und wollen sie nach der Wahl konsequent mit einem Stufenplan angehen.“ Die Praktikumserfahrungen würden dabei ganz sicher mit einfließen.

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