Seit Jahren wird das gesellschaftliche Klima in Deutschland rauer und der Umgang mit Journalistinnen und Journalisten sowie Medienberichterstattenden feindseliger. Dies geht soweit, dass einige Journalistinnen und Journalisten Personenschutz benötigen. Die Zahl gewalttätiger Übergriffe auf in den Medien Tätige hat sich deutlich erhöht. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ zählte im Jahr 2020 mindestens 65 gewalttätige Übergriffe. Gegenüber dem Vorjahr seien dies fünfmal so viele Fälle, heißt es im aktuellsten Bericht.
Deutschland hat leidvolle Diktaturerfahrungen
Allein im Querdenker-Umfeld bzw. auf oder am Rande von Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen ereignete sich mehr als die Hälfte der 65 gezählten Angriffe.
„Ohne freie und unabhängige Medien kann eine Demokratie nicht funktionieren. Wir als Deutsche brauchen nur zurück zu blicken und sehen, was unsere Diktaturen in diesem Land angerichtet haben. Meinungs- und Informationsfreiheit, mediale Vielfalt und der Pluralismus von Meinungen und Inhalten sind eine wesentliche Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft. Gerade dann, wenn die Verfassungsgewalten und der öffentliche Diskurs in der Demokratie durch innere und äußere Bedrohungen mithilfe von Desinformation angegriffen werden, steigt die Bedeutung von unabhängigen Medienangeboten und Qualitätsjournalismus. Private Medienangebote und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind unverzichtbare Teile unserer Medienlandschaft und tragen seit Jahrzehnten dazu bei, die Demokratie in Deutschland zu stärken“, sagte Bongers.
Lokales unverzichtbar
Besonders hebt Bongers die Rolle der lokalen Medien hervor:
„Lokalzeitungen, lokale Online-Portale oder lokale Radio- und Fernsehsender sind für unsere Gesellschaft unverzichtbar. Der kritische kontrollierende Blick der Journalistinnen und Journalisten vor Ort ist unabdingbar. Das mag der Politik nicht immer gefallen, aber es ist wichtig und gehört dazu. Wir sollten einmal darüber nachdenken, ob wir nicht ähnlich wie in Kanada oder Norwegen Lokaljournalismus auch staatlich fördern. Zwar gibt es bereits einige Programme dazu, die reichen aber offenbar nicht aus, wenn man sich ansieht, wie viele lokale Zeitungen in der Vergangenheit verschwunden sind, auch hier im Ruhrgebiet. Es gibt Untersuchungen aus den USA, dass dort wo die lokalen Medien verschwunden sind, die Hochburgen von Populist Donald Trump sind“, so Bongers.
Soziale Medien im Blick
Bongers wünscht sich, dass der Blick auch verstärkt auf die sozialen Medien gerichtet wird. Die Anfeindungen gegenüber Journalistinnen und Journalisten werden aber auch immer stärker aus einer zunehmend verrohten Diskussionskultur in sozialen Medien gespeist.
Auf digitalen Plattformen werden journalistische Berichte gezielt aufgegriffen und dagegen gehetzt. Dies geschieht mit aggressiven Worten. Die Schwelle zu Hassreden und – so steht zu befürchten – „Hass-Taten“ wird dadurch niedriger.
Die Medien verunglimpfenden Vokabeln wie „Lügenpresse“, „Staatsfunk“ oder „Mainstreammedien“ werden online genauso wie auf Demonstrationen verbreitet. „Der Schutz von Leib und Leben, die körperliche Unversehrtheit von Journalistinnen und Journalisten und Medienschaffenden, ist ein besonders wichtiger Faktor, den der Staat gewährleisten muss. Daher muss jetzt dazu ein Sicherheitskonzept dazu entwickelt werden“, so die SPD-Rechtsexpertin.