Der Rat der Stadt Oberhausen hat auf seiner heutigen Sitzung den Haushalt 2011 verabschiedet. SPD-Fraktionschef Wolfgang Große Brömer stellte in der Abschlusserklärung seiner Fraktion fest:
„Dieser Haushalt, den wir heute verabschieden hat unter verschiedenen Gesichtspunkten Besonderheiten, ja sogar Alleinstellungsmerkmale.
Nicht nur, dass dieser Haushalt der erste Oberhausener Haushalt ist, der – meines Wissens – an meinem Geburtstag verabschiedet wird, nein, er weist noch weitere, wesentlichere Besonderheiten auf.
Er ist zum Beispiel – soweit ich mich erinnern kann – der erste Haushalt, der in den Vorberatungen und in der Schlussabstimmung ohne einen einzigen Änderungsantrag der Fraktionen zur Abstimmung kommt. Diese Tatsache ist nicht – zumindest nicht aus Sicht der SPD-Fraktion – Ausdruck von Resignation – nach dem Motto, der eine oder andere kleine kosmetische Änderungsantrag ändert ja doch nichts an der Gesamtproblematik des Haushalts.
Nein, im Gegenteil: Zum ersten Mal haben sich die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für ein Haushaltssicherungskonzept positiv verändert!
Zunächst zwei Zahlen: 3 Milliarden EURO und 650 Millionen EURO!
Die erste Zahl, 3 Milliarden EURO, beschreibt kurz, bündig und brutal den Umgang der alten Rüttgers-Landesregierung mit den Städten und Gemeinden Nordrhein-Westfalens! In den Jahren 2005 bis 2010 sind die kommunalen Kassen durch Rüttgers ausgeplündert worden – und das in einem Maße, wie es das in der Geschichte dieses Landes noch nie gegeben hat! Kürzung des kommunalen Anteils an der Grunderwerbssteuer, Senkung des Anteils der Kommunen am Gesamtsteueraufkommen, Kürzungen bei den KiTa-Mitteln und im Landesjugendplan – das sind nur ein paar Beispiele aus dem Rüttgers-Streichkonzert! Kein Wunder, dass sich im selben Zeitraum von 2005 bis 2010 die Kassenkredite der NRW-Kommunen auf gut 20 Milliarden EURO verdoppelt haben!
Die zweite Zahl, die 650 Millionen EURO, ist das Symbol eines Politikwechsels! Das ist allein der Betrag, der als „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ und erster Ausgleich für die kommunalfeindlichen Maßnahmen der Rüttgers-Regierung in diesem Jahr den Kommunen zusätzlich zur Verfügung gestellt wird! „Die nordrhein-westfälischen Kommunen und die rot-grüne Landesregierung begegnen sich wieder auf Augenhöhe!“, sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vorgestern auf dem SPD-Zukunftskonvent hier in Oberhausen. Recht hat sie – finde ich.
Diese Aussage und die Sofortmaßnahmen stellen einen Paradigmenwechsel in der nordrhein-westfälischen Politik dar! Zum ersten Mal ist die Notlage der Kommunen in vollem Umfang erkannt worden – ohne pauschale und einseitige Schuldzuweisungen! Zum ersten Mal sind konkrete Schritte zur Verbesserung der Kommunalfinanzen eingeleitet worden – und das trotz knapper Landeskassen und trotz der Verfassungsklagen der CDU gegen den Landeshaushalt!
Wir alle wissen, dass diese Maßnahmen noch nicht ausreichend sind für eine wirkliche Gesundung der Kommunalfinanzen. Auf der Ausgabenseite ist die Höhe der Soziallasten die wesentliche Ursache für die Schieflage der Städte und Gemeinden. Die Sozialhilfe war einst von den Gründern der Bundesrepublik als Hilfe für einzelne vorübergehende Notfälle gedacht und konzipiert und in dieser Logik in der Zuständigkeit der Kommunen verankert worden. Seit Jahrzehnten bereits kann man jedoch nicht mehr von Einzelfällen oder von zeitlich eng begrenzten Notsituationen sprechen. Deshalb muss eindeutig eine Verlagerung der Zuständigkeit zum Bund erfolgen. Die soziale Sicherung ist eine gesamtstaatliche Aufgabe und muss deshalb auch vom Bund getragen und finanziert werden!
Vor diesem Hintergrund hat der Landtag in seiner Sondersitzung am 29. Oktober 2010 die Bundesregierung aufgefordert, die kommunalen Soziallasten zur Hälfte zu übernehmen – übrigens mit den Stimmen der CDU-Landtagsfraktion.
Dass die schwarz-gelbe Bundesregierung diesem Ansinnen nicht folgt, sondern nur zu einem ersten kleinen Schritt, dem Einstieg in die Finanzierung der Grundsicherung, bereit ist, überrascht natürlich niemanden.
Denn der Bund hat einen zweiten wichtigen und notwendigen Paradigmenwechsel noch nicht vollzogen: Die Einsicht in die Notwendigkeit eines vorsorgenden Sozialstaats.
Die Erkenntnis, dass unser haushaltstechnisches Instrumentarium dringend einer Überarbeitung bedarf, ist ein Verdienst von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Warum schaffen nur Investitionen in Beton oder Asphalt haushalterische Werte, Finanzmittel für den Bildungs- und Sozialbereich zur Vorbeugung drohender sozialer Probleme und Schieflagen aber nicht? Das ist die zentrale Frage, die sich die Verfassungsjuristen stellen müssen, die wir alle uns stellen und beantworten müssen!
Wir Oberhausener Sozialdemokraten haben uns in den vergangenen Jahren immer gewehrt, die Auflagen der Bezirksregierung hinsichtlich der Trennung zwischen sogenannten freiwilligen und pflichtigen Aufgabenbereichen zu akzeptieren. Weil wir wussten, dass jeder EURO, der für die Bildung oder für den Bereich Jugend und Soziales zur Verfügung gestellt wird, eine Investition in die Zukunft darstellt.
Und deswegen war es auch richtig, dem HSK-Vorschlag der Gemeindeprüfungsanstalt zu folgen und mehr Personal für präventive Aufgaben im Sozialbereich einzustellen. Mit jeder vermiedenen Heimunterbringung eines Oberhausener Jugendlichen machen sich mehr als zwei Personalstellen bereits bezahlt. Ganz abgesehen von den eingesparten gesamtgesellschaftlichen Folgekosten, wenn es zum Beispiel gelingt, Arbeitslosigkeit zu verhindern.
Dieser Umdenkungsprozess, der helfen wird, die kommunalen Finanzüberlegungen mit neuen Prioritäten zu diskutieren, wird abgerundet durch eine weitere wichtige Änderung der Rahmenbedingungen. Bisher musste zur Genehmigung eines Haushaltssicherungskonzeptes der Haushaltsausgleich innerhalb von vier Jahren erreicht werden. Diese Regelung der Gemeindeordnung hat dazu geführt, dass in NRW insgesamt 138 Kommunen im Jahr 2010 kein genehmigungsfähiges Haushaltssicherungskonzept aufstellen konnten, weil ein realistisches Szenario für einen so kurzfristigen Haushaltsausgleich völlig unmöglich war.
Diese Situation hat sich seit dem vergangenen Mittwoch grundlegend geändert. Mit der Änderung des § 76 der Gemeindeordnung eröffnet sich jetzt ein größeres Zeitfenster von 10 Jahren für die Darstellung des Haushaltsausgleichs.
Und das ist genau die Perspektive, die Oberhausen jetzt benötigt und die es zu nutzen gilt!
Auf der Grundlage der bisherigen Beschlüsse und der weiteren Vorschläge der Verwaltung werden wir bis Oktober die Grundlage für eine Konsolidierungsvereinbarung mit der Bezirksregierung erarbeiten.
Dabei sind die Eckpunkte klar:
1. Bürgerbeteiligung ist für uns keine Modeerscheinung, sondern politisches Grundprinzip. Wir laden die Bürgerinnen und Bürger ein, in einem offenen Dialog alle Vorschläge aus Verwaltung und Politik zu diskutieren. Selbstverständlich werden auch weitere Vorschläge aus der Bürgerschaft in den Diskussionsprozess mit aufgenommen.
2. Bei allen Haushaltsdiskussionen bleibt es bei dem bewährten Grundsatz, dass kein Kaputtsparen stattfinden darf. Die Infrastruktur im Kultur-, Bildungs-, Sozial- und Sportbereich muss erhalten bleiben.
3. In der Verwaltung bleiben betriebsbedingte Kündigungen weiterhin ausgeschlossen. Dazu gehört aber auch, dass als Gegenleistung für den sicheren Arbeitsplatz die Bereitschaft zu einem bedarfsgerechten Arbeitseinsatz gegeben sein muss.
4. Die demografische Entwicklung macht auch eine Anpassung städtischer Dienstleistungsangebote nötig. Bei reduzierter Quantität darf die Qualität der Angebote nicht leiden. Die Aufrechterhaltung dezentraler Bürgerserviceeinrichtungen ist für uns unverzichtbar. Ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen ist mit Augenmaß und nach dem Kriterium Arbeitseffizienz sorgfältig zu prüfen.
5. Die Haushaltskonsolidierung wird letztlich ohne weitere Hilfen des Landes und des Bundes nicht erfolgreich sein können. Deshalb ist auf allen Ebenen – auch und gerade parteiübergreifend – die Diskussion für eine gerechte und auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen zu forcieren. Dabei ist in zunehmendem Maße auch eine Diskussion über die Stärkung der Einnahmeseite längst überfällig.
Es ist unstrittig, dass von den Bürgerinnen und Bürgern, von uns allen ein schwieriger Diskussionsprozess zu meistern ist. Ein Diskussionsprozess, der Zugeständnisse erforderlich macht und der sicherlich im Herbst nicht abgeschlossen ist, sondern Jahr für Jahr fortgesetzt werden muss. Ich bin optimistisch, dass diese Herausforderung gelingen kann.
Die Oberhausener Bürgerinnen und Bürger werden sich sachlich und zielgerichtet beteiligen und nur wenige werden auf die übliche Oppositionspolemik hereinfallen. Weil sie wissen, dass diese Stadt wieder Handlungsspielräume benötigt. Handlungsspielräume für Stadtentwicklung, für die Beteiligung an Förderprogrammen, für bessere Bildung, für vielfältige Kultur- und Sportangebote, für eine saubere und freundliche Stadt, für ein sicheres Leben auch im Alter.
Mut macht mir dabei das Ergebnis der jüngsten Bürgerumfrage der Uni Duisburg / Essen: 90% der Oberhausener leben sehr gerne oder gerne in dieser Stadt! 90%! Das ist das höchste Zufriedenheitsniveau aller befragten Städte! Und das nach den Kürzungen und Einsparungen der letzten Jahre!
Zum Schluss die letzte Besonderheit des Haushaltes 2011: Es ist der letzte Haushalt, den Bernd Elsemann mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgestellt hat!
Bernd, Du hast wie kein Zweiter die Entwicklung unserer Stadt begleitet. Von der Pieke an hast Du diese Stadt, diese Stadtverwaltung erlebt und gelebt; unter vier Oberbürgermeistern hast Du Verwaltungserfahrung gesammelt und weitergegeben. Du musstest insbesondere im letzten Jahrzehnt den Mangel verwalten und kreativ gestalten. Und du warst schließlich in den letzten Monaten kompetenter Ratgeber und gefragter Experte in der Runde der Memorandum-Kämmerer bei der Erstellung des Junkernheinrich-Gutachtens.
Lieber Bernd, zu einem anderen Zeitpunkt wird Dein Wirken in dieser Stadt noch ausführlich zu würdigen sein. Jetzt, an dieser Stelle will ich Dir in unser aller Namen ein großes Dankeschön aussprechen!
Solange wir Menschen wie Dich in der Führungscrew unserer Verwaltung haben, solange brauchen wir uns um die Zukunft Oberhausens keine Sorgen zu machen!
Glück auf Bernd Elsemann!
Glück auf Oberhausen!“