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Gemeinsam neue Wege gehen:

Koalitionsvertrag 2010-2015 zwischen der NRWSPD und Bündnis 90/Die Grünen NRW

Hannelore Kraft ist seit dem 14.07.2010 Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen

Hannelore Kraft ist seit dem 14.07.2010 Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen

Offener Brief von Hannelore Kraft zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen NRWSPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN NRW:

„In den vergangenen Wochen haben wir gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen in NRW sehr konzentriert und sachorientiert an einem zukunftsweisenden Koalitionsvertrag gearbeitet – „Gemeinsam neue Wege gehen“ haben wir uns gemeinsam als Titel und als Ziel für die rot-grüne Regierungsverantwortung gewählt. Der Entwurf ist am Mittwoch vom Landesvorstand einstimmig verabschiedet worden und wird nun am kommenden Samstag unserem Parteitag vorgelegt.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei allen bedanken, die zum guten Ergebnis dieses Vertrages beigetragen haben. Wir haben – davon sind wir in der Verhandlungskommission überzeugt – auch bei schwierigen Themen überzeugende Lösungen gefunden. Die Gespräche mit den Grünen haben in einer sehr guten und überaus fairen Atmosphäre stattgefunden. Das war eine gute Erfahrung und es gibt eine tragfähige Vertrauensbasis.

Ich möchte für die Inhalte dieses Vertrages werben. Wir haben Schwerpunkte gesetzt. Es wird ein klares Profil erkennbar. Und es lassen sich auch Schnittmengen mit anderen im Landtag vertretenen Parteien bilden.

Wir werden unser Bildungssystem gerechter und leistungsfähiger machen.

Wir werden unseren Städten und Gemeinden ihre Handlungsfähigkeit zurückgeben und ihnen neue Zukunftsperspektiven eröffnen.

Wir werden unsere Wirtschaft stärken und zugleich einen wirksamen Klima- und Umweltschutz sicherstellen.

Wir wollen „Gute Arbeit“ ermöglichen und für einen besseren sozialen Zusammenhalt sorgen.

Dafür lohnt es sich zu arbeiten. Wir wollen jetzt Tempo machen und schon bei der Plenarsitzung in der nächsten Woche mit der Umsetzung unseres Programms beginnen. SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben im Landtag gemeinsam Anträge zur Abschaffung der Studiengebühren und zur Überprüfung des so genannten Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) eingebracht. In der Schulpolitik wollen wir noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen, damit die Kopfnoten wieder abgeschafft werden und der Elternwille bei der Wahl der weiterführenden Schule für die eigenen Kinder wieder hergestellt wird. Außerdem wollen wir die Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst wieder herstellen. NRW wird wieder Mitbestimmungsland Nummer Eins in Deutschland. Wir werden auch die Gemeindeordnung ändern, damit die Kommunen ihre wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten zurückgewinnen und damit die Stadtwerke im Wettbewerb auf dem Energiemarkt bestehen können.

Ein Wort zur Abschaffung der Studiengebühren: Der Antrag von Rot-Grün enthält dazu die klare Festlegung „Der Landtag beschließt, die Studiengebühren schnellstmöglich abzuschaffen.“ Schnellstmöglich bedeutet, dass wir noch in diesem Jahr das Gesetz dazu beschließen werden. Und mit dem Haushalt für 2011 stellen wir im nächsten Frühjahr sicher, dass den Hochschulen die wegfallenden Einnahmen aus den Gebühren vom Land ersetzt werden. Wir halten damit beide Versprechen: Wir reißen die soziale Hürde ein, die viele junge Menschen vom Studium abhält – und wir sichern gleichzeitig die Qualität der Lehre an den Hochschulen und verhindern auch Entlassungen von Personal, das aus den Studiengebühren finanziert wird.

Vereinzelt ist in den letzten Tagen darüber berichtet worden, die neue Landesregierung wolle neue Schulden auftürmen. Auch dazu ein paar klare Sätze: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat uns eine schwere Hypothek hinterlassen, denn die von ihr veranschlagte Netto-Neuverschuldung für 2010 war erheblich zu niedrig angesetzt. Ganz offensichtlich sollte im Wahljahr unter allen Umständen eine neue Rekordverschuldung verhindert werden. Die Wahrheit über den Haushalt wurde verschleiert: Die Einbrüche bei den Steuereinnahmen sind von CDU und FDP viel zu niedrig angesetzt worden, die Vorsorge bei den Risiken der WestLB und für die zukünftigen Pensionslasten wurden vernachlässigt, das Kibiz ist deutlich unterfinanziert, die Rückerstattung zu hoher Zahlungen der Kommunen für den Aufbau Ost wurde den Städten und Gemeinden seit Jahren vorenthalten und der Öffentlichkeit wurde eine Lehrerlücke verschwiegen.

Die rot-grüne Landesregierung ist deshalb gezwungen, einen Nachtragshaushalt für 2010 zu verabschieden. Wir müssen einen Kassensturz machen und eine Schlussbilanz von Schwarz-Gelb aufstellen. Sie wird deutlich machen, dass die Neuverschuldung im Jahre 2010 nicht – wie vom scheidenden Finanzminister veranschlagt – bei 6,6 Milliarden Euro liegt. In Wahrheit gibt es eine Hypothek von über neun Milliarden Euro. Die Anhebung der Neuverschuldung für dieses Jahr geht damit allein auf das Konto der alten Landesregierung. Erst im Haushalt für das kommende Jahr 2011 werden wir dann separat unsere Investitionen in eine gute Zukunft für unser Nordrhein-Westfalen vorsehen. So wird für jede und jeden die Trennung deutlich zwischen der schwarz-gelben Erblast und dem rot-grünen Zukunftsplan für Kinder, Familien und Kommunen.

Diese Situation stellt uns vor gewaltige Aufgaben.

Wir müssen in den kommenden Jahren konsolidieren. Schon im nächsten Jahr muss und wird die Neuverschuldung wieder sinken. Das kann gelingen, weil ein Teil der Positionen im Nachtragshaushalt Einmaleffekte sind, die wir nicht über die nächsten Jahren weitertragen müssen. Wir wollen und müssen aber gleichzeitig dafür sorgen, dass unsere zentralen politischen Ziele umgesetzt werden können. Deshalb werden wir im Haushalt 2011 einen Betrag von einer Milliarde Euro zusätzlich aufwenden, den wir fast ausschließlich in die Bereiche Kinder, Bildung und Vorsorge in den Kommunen investieren.

Dieses Geld ist gut angelegt, denn so finanzieren wir eine gute Zukunft für NRW. Wir werden mittelfristig nur Ausgaben senken können, wenn wir heute an den richtigen Stellen investieren. CDU und FDP entlasten Hoteliers und Besserverdienende – wir entlasten Studenten, Familien und notleidende Städte und Gemeinden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es richtig ist, diese Investitionen vorzunehmen – auch wenn sie zunächst über Kredite finanziert werden müssen. Wenn wir dieses Geld heute nicht aufwenden, werden wir in den kommenden Jahren teuer dafür bezahlen müssen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hieß es immer, Banken seien systemrelevant und darum müsse man sie mit riesigen Milliardensummen retten. Doch dann gilt das auch für unsere Kinder. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist Bildung systemrelevant.

Wir sind und bleiben eine Programmpartei. Unsere guten Inhalte können wir selbstbewusst nach vorne tragen. Vieles von dem, für das wir im Wahlkampf gekämpft haben, findet sich im Koalitionsvertrag wieder. Natürlich muss man im Zuge von solchen Verhandlungen immer Kompromisse eingehen und Zugeständnisse machen. Aber ich bin der Auffassung, dass der Vertrag erkennbar unsere Handschrift trägt.“

Hannelore Kraft
– Vorsitzende der NRWSPD –

Der Koalitionsvertrag zum Herunterladen:

Rot-Grüner Koalitionsvertrag NRW 2010 | pdf, 1,44 MB

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