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Brief des SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering an die Partei:

Liebe Genossinnen und Genossen,

Franz Müntefering: Vorsitzender der SPD

Franz Müntefering: Vorsitzender der SPD

die kommenden Monate werden uns fordern. CDU/CSU schwanken zwischen heißem Rausch und kalter Ernüchterung, ihre Nerven liegen blank und sie keilen wild drauf los. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht undiszipliniert in einen Schwinger laufen, aber wir sind stärker als CDU/CSU und wir werden uns durchsetzen. Mit Herz und Verstand und mit einer großen gemeinsamen Anstrengung. Mit Anstand.

In den vergangenen Tagen haben sich Merkel/Stoiber und ihre Helfer bis zur Kenntlichkeit demaskiert. So sind sie.

Sie haben den Kampf ums politische Konzept aufgegeben. Sie setzen auf Lüge und Verleumdung. Sie wollen die Macht. Total. Im Bund und in den Ländern. Mit welchen Mitteln auch immer.

Sie leiden an der Wahlnacht 2002. Und an der Wahlnacht Schleswig-Holstein. Dass sie nicht in die Regierungen kamen, das verzeihen sie uns nicht.

Merkel hat es mit politischer Positionierung versucht und ist gescheitert. Nichts ist geblieben von ihrem Konzept der neuen sozialen Marktwirtschaft, der Kopfpauschale, dem Merzschen Steuerkonzept.

Die SPD setzt die Themen. Agenda 2010, das ist unsere Sache, eigenständige Außenpolitik, das ist unsere Sache. CDU/CSU sind nicht heiß, sind nicht kalt, sie sind lauwarm und bestimmen nicht die Richtung.

Deshalb haben sie in ihrer Panik die Demagogie entdeckt, – Lügen und Verleumdung.

NPD:
Die Wahlerfolge der Nazis z.B. in Sachsen werden von Stoiber & Co. der SPD zugeschrieben, der Arbeitslosigkeit wegen. So werden Arbeitslose diffamiert. Die CDU-CSU-Nähe des größten Teils der NPD-Wähler wird ignoriert und die Unfähigkeit von CDU-CSU-Opposition, sozialen Protest selbst aufzugreifen, wird überspielt.

Über 5 Millionen arbeitslos:
Eine Konsequenz von Harz IV. Hunderttausende erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger werden aus der Sackgasse des Vergessenseins geholt, wieder registriert und an die Vermittlung zur Arbeit herangeführt. Jeder wusste, dass dieser statistische Zuwachs mit Hartz IV kommen würde. Auch CDU/ CSU wussten das. Sie stimmten trotzdem zu. Und schlagen sich jetzt feige in die Büsche. Oder bringen die NPD ins Spiel.

Zuverdienst:
Bei Mini-Jobs wollten wir deutliche Zuverdienstmöglichkeiten, aber CDU/CSU sträubten sich während der Gesetzgebung. Im Vermittlungsausschuss gab es einen Kompromiss: 15 % Zuverdienstmöglichkeit bei Jobs bis zu 400 Euro monatlich. Darüber 30 %. Jetzt fordert Merkel höheren Zuverdienst und leugnet ihre Mitverantwortung für die geltende Gesetzgebung.

Bekämpfung illegaler Beschäftigung:
Wir sind dabei, eine schlagkräftige Bekämpfung von illegaler und Schwarzarbeit zu organisieren. Über 5.000 Personen sind es bereits, auch ehemalige Bundesgrenzschützer, bald werden 7.000 im Einsatz sein. Erste Erfolge sind erkennbar. Wir sorgen energisch dafür, dass nicht illegal oder mit unzulässigen Tricks Rechte legaler Arbeitnehmer in Deutschland unterlaufen, Dumpinglöhne gezahlt und der Finanzminister und die sozialen Sicherungssysteme betrogen werden. Auch Schlepperbanden geht es an den Kragen. Dass das alles eine gezielte Attacke gegen kleine Fische wie „Putzfrauen“ sei, ist eine böswillige Unterstellung.

11 Mrd. Euro weniger für Arbeitslose:
Die Merkel-CDU fordert die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge um 1,5 %, also um rd. 11 Mrd. Euro. Dann müsste Arbeitslosengeld I gekürzt oder es müssten Berufsvorbereitungsmaßnahmen, Lohnkostenzuschüsse zur Eingliederung oder Hilfen bei Existenzgründungen gestrichen werden. Gleichzeitig wird die Bundesagentur von CDU/CSU beschimpft, weil sie nicht genügend vermitteln kann. Und die SPD wird angeprangert wegen angeblich hoher Lohnnebenkosten und Problemen am Arbeitsmarkt. Die Falschheit von CDU/CSU kennt keine Grenzen mehr.

Verlogene CDU-Finanzpolitik:
Sie klagen in Ländern und Städten wegen der Löcher in ihren Kassen, haben aber im Frühjahr 2003 im Bundesrat den Abbau von ungerechtfertigter Steuervergünstigung weitgehend verhindert. Die Kommunen hätten 4 Mrd. mehr gehabt zum Investieren und zur Schaffung von Arbeitsplätzen, die Länder 7 Mrd. Euro in dieser Legislatur.

Union will Wahlergebnisse nicht akzeptieren:
Vor der Wahl in Schleswig-Holstein wussten alle Beteiligten, dass der SSW – gewählt von Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, denn nur sie dürfen wählen – ohne 5 %-Klausel und wie bisher gleichberechtigt im Landtag sitzen würde. Jetzt wird das in Frage gestellt. Die Union ist eine schlechte Verliererin. Ihre Missachtung demokratischer Wahlen ist fatal.

Visa-Verfahren Kiew:
Nach den Mutmaßungen, Verharmlosungen, willkürlichen Unterstellungen, Verdrehungen und Skandalisierungen der vergangenen Tage und Wochen ist es an der Zeit, nicht weiter leichtfertig Ängste zu schüren. Mit der Erklärung von BM Fischer ist ein wichtiger und richtiger Schritt getan. Damit ist die Voraussetzung gegeben für eine umfassende, auf Fakten gründende Aufklärung und endgültige Meinungsbildung im zuständigen Untersuchungsausschuss und zwar zügig. Trotzdem bleiben Merkel und Co. ignorant bei ihren Vorurteilen.

Kinderschänder:
Ein neuer Niveausturz in der Kampagne – und es ist eine Kampagne! – ist der Versuch, Gerhard Schröder und die SPD als Helfershelfer von Kinderschändern und Teil des „Kartells der Schuldigen“ hinzustellen. Diese Mischung aus blanker Lüge und Hass wäre vielleicht noch zu ertragen, wenn ein öder Söder nur für sich selbst reden würde. Leider ist es aber nicht so. Stoiber lässt ihn machen. Merkel schweigt. Das grenzt an moralische Verkommenheit.

Die BILD am Sonntag gibt ein Beispiel dafür, was uns in den nächsten Wochen erwartet:

06 – Koch: Deutschland braucht mehr Vaterlandsliebe.
08/9: Rot-Grün am Abgrund. (Seinen Wunsch nennt der Autor eine Analyse. Na denn)
10/11: CSU: Schröder mitverantwortlich für Verbrechen an Kindern.

Für unsere Demokratie ist das rücksichtslose Bemühen um Macht, wenn es durch Diffamierung und Demütigung des politischen Gegners angestrebt wird, gefährlicher als Extremisten ihr je werden können, denn so wird die Gemeinsamkeit der Demokraten zerstört. Macht, die auf moralischer Deformation gründet, bringt dem Land keinen Segen.

Was muss unsere Antwort sein?

Wir lassen uns nicht verprügeln von den Merkels und Stoibers, aber wir versuchen eine Linie der Vernunft zu halten. Denn Schlammschlachten sind das Letzte, was Deutschland braucht.

Das gilt auch für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Wahlkampf ist Wahlkampf, Sanftheit ist nicht gefragt. Aber Dreck werfen werden wir nicht.

Und keinen Kleinmut: Jede Wahl ist ein Unikat. Die Ausgangslage ist ordentlich. Wir können es schaffen. Also: Schaffen wir es.

Peer Steinbrück bleibt Ministerpräsident.

Und die SPD bleibt sich treu:

Wir sagen was wir tun und wir tun was wir sagen.

Und die politischen Gegner sind Gegner, aber keine Feinde.

Auch wenn einige von ihnen zur Zeit die Regeln politischer Fairness grob verletzen.

Glück auf!

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