Resolution der RVR-Verbandsversammlung zur kommunalen Finanzkrise:

Die Überlebens- und Handlungsfähigkeit der Kommunen in der Metropole Ruhr muss gesichert werden

Die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr hat heute einstimmig die folgende Resolution verabschiedet:

Die Kommunen der Metropole Ruhr sind in einer bedrohlichen Haushaltssituation. Die Schließung von Hallen- und Freibädern, Stadtbüchereien und Schulen, die drastische Reduzierung von Personalkosten und die Veräußerung von Vermögen sind einige Beispiele für die Reaktionen der Ruhr-Kommunen auf diese Situation. In den meisten Kommunen der Metropole Ruhr wird kurz- bis mittelfristig das Eigenkapital aufgebraucht sein, so dass eine „Überschuldung“ eintritt, was privatwirtschaftlich einer Insolvenz gleichkäme.

Diesen Zustand haben die Ruhr-Kommunen nicht allein verschuldet. Gleichwohl bleiben die Städte in der Verantwortung, mittel- und langfristig ihre Haushalte zu konsolidieren. Sie werden insbesondere die kommunalen Dienstleistungen und die örtliche Infrastruktur auf die Erfordernisse des demografischen Wandels mit einer rückläufigen Bevölkerung abstellen müssen.

Zurückgegangene Steuereinnahmen vor allem in den Jahren 2000-2005 sowie steigende Ausgaben für kommunale Pflichtaufgaben in der Sozial – und Jugendhilfe sowie die
„Solidarzahlungen Ost“ sind wesentliche Determinanten für die strukturellen Haushaltsdefizite und Verschuldung der kommunalen Haushalte in der Region. Ferner
kommen neue Aufgaben bzw. Anforderungen auf die Kommunen zu, wie z.B. die Kommunalisierung der Umwelt- und Versorgungsverwaltung, die Übermittagbetreuung sowie der gebundene Ganztag an weiterführenden Schulen oder die Ausweitung der Betreuungsquote für Unter-3-Jährige bis hin zu einem Rechtsanspruch ab 2013, für den bisher kein vollständiger finanzieller Ausgleich vorgesehen ist. Dies wäre ein Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip.

In der aktuellen Entwicklung werden die strukturschwachen Kommunen weiter abgehängt und die Unterschiede in der Lebensqualität entwickeln sich diametral in einer bedrohlichen Weise. Deutlich wird dies beispielsweise daran, dass in den Kommunen der Metropole Ruhr die Kindergartenbeiträge – teilweise sogar von der Kommunalaufsicht angeordnet – steigen, während andernorts beitragsfreie Betreuung propagiert wird.

Auch in Nothaushaltskommunen darf es für die Bürgerinnen und Bürger keinen Verlust an Lebensqualität geben. Eine Benachteiligung im Standortwettbewerb darf insbesondere nicht da eintreten, wo der Strukturwandel neue Anforderungen stellt.

Die Bundesregierung und die nordrhein-westfälische Landesregierung sind gefordert, einen Beitrag zur Beseitigung der finanziellen Schieflage und für den Bestand der kommunalen Selbstverwaltung zu leisten. Die Metropole Ruhr fordert:

  1. Nachhaltige Haushaltswirtschaft, Abbau der Altschulden und Schuldenbegrenzung
    Trotz intensiver Haushaltskonsolidierung können die strukturschwachen Kommunen den Weg aus der Verschuldungsfalle nicht alleine bewältigen. Die Zinslast ist bereits erdrückend. Wir erwarten vom Land, dass es im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für die Kommunen an der Lösung des Problems mitwirkt, um den Abbau der Altschulden/Kassenkredite zu ermöglichen. Zur nachhaltigen Haushaltswirtschaft und Schuldenbegrenzung sind für die Zukunft neue und verbindlichere Rahmenbedingungen und Regeln als bisher zu beschreiben, damit ein Rückfall in den derzeitigen Zustand vermieden wird.
  2. Die aufgabenangemessene Finanzausstattung ist zu gewährleisten und das Konnexitätsprinzip ist von allen staatlichen Ebenen strikt einzuhalten.
    Die gegenwärtige Finanzausstattung der Kommunen Metropole Ruhr passt nicht mit den zu erledigenden Aufgaben zusammen. Die strikte Einhaltung des Konnexitätsprinzips – d.h., wer Leistungen bei den Kommunen bestellt, muss sie auch bezahlen – ist von allen staatlichen Ebenen konsequent einzuhalten.
  3. Die Solidaritätsleistungen sind nicht mehr nach Himmelsrichtungen, sondern nach Bedürftigkeit vorzusehen.
    18 Jahre nach der Deutschen Einheit muss der infrastrukturelle Lastenausgleich zwischen ost- und westdeutschen Kommunen wieder gesamtdeutsch konzipiert werden. Die strukturschwachen NRW-Kommunen haben bereits Milliardenbeträge im Wege ihres Solidarbeitrags Ost überwiegend kreditfinanziert gezahlt und gleichzeitig die eigene kommunale Infrastruktur mangels ausreichender Finanzausstattung weiter verfallen lassen. Gleichzeitig weisen immer mehr ostdeutsche Kommunen Haushaltslagen auf, die wesentlich günstiger aussehen und sich nicht solidarisch am Aufbau Ost beteiligen.
  4. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Münster zu den „Solidarzahlungen der NRW-Kommunen“ ist umzusetzen,
    Der Verfassungsgerichtshof Münster hat die Landesregierung aufgefordert, den Kommunen für das Jahr 2006 überzahlte Solidarbeiträge in Höhe von 450 Mio. Euro zu erstatten. Über die Konsequenzen für die Folgejahre muss mit der Landesregierung verhandelt werden.
  5. Eine Kommunalfinanzreform, die den Kommunen eine verlässliche Einnahmebasis verschafft.
    Das Gewerbesteueraufkommen unterliegt großen, kurzfristigen und nicht-vorhersehbaren Schwankungen. Hierfür sind u. a. steuerrechtliche Regelungen verantwortlich, die nicht von den Kommunen bestimmt werden. Eine umfassende Gemeindefinanzreform, z. B. eine höhere Beteiligung der Kommunen an der Einkommenssteuer, muss erfolgen.
  6. Der kommunale Finanzausgleich in NRW muss die strukturellen und sozialen Lasten der Ruhrgebietsstädte berücksichtigen.
    Das Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) hat den kommunalen Finanzausgleich in NRW überprüft und Vorschläge zur Weiterentwicklung vorgelegt. Nach einer ersten Analyse auf Basis der GFG-Daten 2008 käme es überwiegend zu einer Umverteilung von den kreisfreien Städten in die kreisangehörigen Städte und Gemeinden von im Maximum rd. 175 Mio. ?. Somit wären die strukturschwachen kreisfreien Städte und die damit vergleichbaren Kreise der Metropole Ruhr die Verlierer der Empfehlungen des ifo-Gutachtens. Hier ist ein Gegensteuern erforderlich, indem beispielsweise der Soziallastenansatz zukünftig stärker berücksichtigt wird. Der Regionalverband Ruhr ist zudem zukünftig wie die Landschaftsverbände im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes zu berücksichtigen.
  7. Die Strukturförderung ist an den tatsächlichen Anforderungen der Regionen und Kommunen auszurichten.
    Da Kommunen ohne genehmigtes Haushaltssicherungskonzept die Beteiligung an öffentlichen Förderprogrammen – etwa zum Straßenbau oder zur Stadterneuerung – erschwert wird, sind damit ausgerechnet die Kommunen, deren Haushaltslage nötige Eigeninvestitionen nicht erlauben, von Förderprogrammen abgeschnitten. Es sollen alle förderrechtlich zulässigen Möglichkeiten zur Darstellung bzw. zur Übernahme kommunaler Eigenanteile durch das Land oder durch Dritte, insbesondere private Projektpartner, ausgeschöpft oder, falls erforderlich, solche Möglichkeiten geschaffen werden.
  8. Die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft und Heizung ist auf eine neue Abrechnungsbasis zu stellen.
    Die Bundesregierung hat wiederholt die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft und Heizung reduziert. Durch einen untauglichen Verteilungsschlüssel, nämlich anhand der Bedarfsgemeinschaften, werden nicht die tatsächlichen Kostenentwicklungen berücksichtigt. Dies führt in den strukturschwachen Kommunen zu weiteren Verschlechterungen in Millionenhöhe.
  9. Reformierung der Kommunalaufsicht
    Die dauerhafte Sicherung der Selbstverwaltung der Kommunen erfordert nicht nur eine Aufsicht über die Einhaltung der Haushaltsregeln, sondern auch die Durchsetzung des Konnexitätsprinzips gegenüber Land und Bund. Diese Komponente muss auch Entscheidungsgrundlage für die Kommunalaufsicht sein. Die Kriterien, nach denen Kommunalaufsicht erfolgt, müssen für die Kommunen transparent sein und landseinheitlich angewandt werden. Deshalb treten wir für eine Prüfung ein, ob und in welcher Form es zu einer institutionellen Neuansiedlung der Kommunalaufsicht kommt, die sachlich und politisch unabhängig ist.

Der Regionaldirektor wird gebeten, diesen Beschluss nach Verabschiedung an die Bundesregierung und den Bundestag sowie die NRW-Landesregierung und den NRW-Landtag weiterzuleiten.

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